science | Guttenberg [1] – Schön gefärbt und hoch gestapelt

Jürgen Trittins hitzig empörte Bundestagsrede am 23.02., in der er Verteidigungsminister Guttenberg als ‚Felix Krull der Bundeswehr‚ bezeichnete, könnte treffender nicht sein.  Fürwahr gibt es erstaunliche Parallelen zwischen der fiktiven Figur Thomas Manns, einem „aristokratisch“ gesinnten Hochstapler mit besonderem Talent zum Rollenspiel, der es mit der Wahrheit  nicht ganz so genau nimmt, und dem zum jung-dynamischen Politstar hochstilisierten ‚Edelmann‘ aus Oberfranken. Denn so wie der unvollendet gebliebene Roman als Parodie auf den klassischen Bildungs– und Entwicklungsroman (à la Goethe) gedacht war, wurde KTs Glanzkarriere nicht nur als beispielhaftes Schmierenkomödiantentum entlarvt, sein Gebaren im Umgang mit Kritik geriet zunehmend zur Realsatire – mit offenem Ende.
Doch während Thomas Mann den rollenspielenden Hochstapler augenzwinkernd ganz in die Nähe des Künstlertums rückt, fehlt dem Minister leider jegliches künstlerische Talent, von wissenschaftlicher Originalität ganz zu schweigen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Gerade in der Politik scheinen die Grenzen zwischen hoher Schauspielkunst und dilletantischer Quacksalberei nicht selten fließend, vor allem wenn es um die höchsten Ämter und Würden geht. Welch Kleindarsteller, emporgehoben vom geschlossenen System eines fragwürdigen Casting-Gremiums und getragen von den Massenmedien, träumt nicht mal davon, die große Hauptrolle zu übernehmen? Und da Herkunft durchaus prägend sein kann, scheint es wenig verwunderlich, dass sich bereits Felix Krulls zwielichtiger Pate und Mentor Schimmelpreester, quasi ein Mannscher Bohlen, zu unrecht mit dem Titel „Professor“ anreden lässt. Eine Ironie des Schicksals wohl, dass manch einem Wunderkind – sowohl Felix‘ als auch Karl-Theodors junge Karrieren sind schließlich „beachtlich“ – nach Hochmut und Realitätsverlust der Fall droht.  Ein Narr, wer Schmutzkampagnen und Neiddebatten unterstellt – die Katastrophe scheint im tragischen Charakter selbst angelegt.
Even stranger than fiction
Im  Gegensatz zu Felix, dem Sohn eines panschenden Weinfabrikanten, ist Glücksgeburt Karl-Theodor zwar ein „echter“ Edelmann, doch sein Umgang mit gutbürgerlichen Werten – wie Ehre, Anstand, Fleiß und Redlichkeit -,  die er sich auf seinem Weg in die hohen Sphären der Politik bis heute auf die Fahne geschrieben hat, ähnelt der Haltung des Möchtegern-Adeligen auf frappierende Weise. Ein Sozialist, wer  unlauteren Wettbewerb oder gar Standesdünkel unterstellt. Krull jedenfalls ist überzeugt, aus feinerem Holz geschnitzt, ja sogar auserwählt zu sein, seinen Platz in der natürlichen Hierarchie der Gesellschaft zugeteilt zu bekommen und setzt dabei ganz auf die unerschütterliche Sympathie seiner Mitmenschen. So liebt er die Verkleidung und studiert die Etikette vornehmer Schichten. Während er schon als (vermeintliches Wunder-) Kind die Unterschrift seines Vaters fälscht und Krankheiten vortäuscht, um der Schule zu entgehen, gelingt ihm die Simulation eines Anfalls bei der Musterung so gut, dass er sogar vom Militärdienst befreit wird.  So wird Täuschung zur Methode. Fasziniert von den Gaben eines Bühnenschauspielers, durchschaut er das starke Bedürfnis der Masse nach Illusion und Verführung und vertraut auf seine natürliche Strahlkraft. Doch wird er sich bald auch der Risiken der Lüge bewusst – ein Fehler, u. der Trapezkünstler landet unsanft auf dem Existenz  gefährdenden Boden der Tatsachen. Wie gut, dass  Felix ein Fangnetz zu nutzen weiß – sein doppelter Boden ist seine professionelle Doppelmoral. Denn im Verlauf seiner Geständnisse versichert er rückblickend  immer wieder, bei der Wahrheit bleiben zu wollen. Es scheint, als habe Karl-Theodor (39) im Deutschunterricht gut aufgepasst und sich bei der Mannschen Lektüre einiges von Felix abgeschaut.  Bekenntnisse eines Hochstaplers Denn neben dem Talent, seine Vita schön zu färben und hoch zu stapeln, inszenierte er sich immer wieder als konsequent und resolut Handelnder, dem nicht nur Mut und Wille gut zu Gesicht steht, sondern Glaubwürdigkeit als seine persönliche Kardinaltugend versteht.  Doch statt sich mit nicht vorhandenen Kompetenzen zu schmücken und sich unerlaubterweise die Doktorkrone aufzusetzen, hätte er doch wohl besser Schauspielunterricht genommen. Statt „in mühevollster Kleinarbeit“ dreisten Ettikettenschwindel zu begehen, hätte er es so vielleicht wenigstens geschafft, einen anständigen Kabarettisten abzugeben. Doch Akribie, zumindest im wissenschaftlichen Sinne, war seine Sache nie. Dabei hätte  er sich für seine fadenscheinigen Geständnisse, die den arroganten Nachgeschmack von Salamiehäppchen haben,  Krulls Gebrauchsanweisung doch nur etwas genauer zu Gemüte führen müssen:
„[…], daß ich mit großer Genauigkeit, ja streng wissenschaftlich zu Werke ging und mich wohl hütete, die sich bietenden Schwierigkeiten für gering zu achten. Denn Dreinstolpern war nie meine Art, eine ernste Sache in Angriff zu nehmen; vielmehr habe ich stets dafür gehalten, dass ich gerade mit dem äußerstem, der gemeinen Menge unglaubhaftesten Wagemut kühlste Besonnenheit und zarteste Vorsicht zu verbinden habe, damit das Ende nicht Niederlage, Schande und Gelächter sei, und bin gut damit gefahren.“ (Felix Krull, S. 91f.)
Vom Backround unseres smarten Lügenbarons, eines tollkühn an Deck ausharrenden Kapitäns eines in Seenot geratenen Ruderboots, der selbsternannten sturmresistenten „oberfränkischen Wettertanne„, erzählt der Saga nächstes Kapitel  (Guttenberg [2] – Schön gefärbt und hoch gestapelt), das u.a. auf die  Familientradition und Verwurzelung unseres Polit-Stars eingehen wird. Der dritte Teil (Guttenberg [3] – Schön gefärbt und hochgestapelt) erzählt von einer Vita, die blitzartiger & bis in höchste Ämter nicht hätte verlaufen können – von KTs Gehversuchen auf dem Parket von Wissenschaft, Politik & Wirtschaft.
Hauptquellen:
– Thomas Mann: Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull (Fischer Verlag, 1997)
Wikipedia (Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull)
– Jürgen Trittin (Bundestagsrede vom 23.02.2011), zu sehen auf Youtube
– Bildquelle: GuttenPlag Wiki (User: Macbeth 2.0)
– Vgl. zudem Direktlinks im Text.
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