politics | Guttenberg [4] – Schön gefärbt und hoch gestapelt

Wem ist es bitte – in Zeiten eines beinah offen ausgesprochenen Krieges – zuzutrauen, die Befehlsgewalt über die Streitkräfte zu übernehmen, wenn nicht jemandem, der sich bereits als krisensicher bewährt zu haben scheint, und der außerdem der mit Abstand beliebteste Politiker im Lande ist? Folgerichtig erhält KT während seines kurzen Gastspiels als Wirtschaftsminister nicht zum letzten Mal die Gelegenheit, sich als konsequent handelnder Krisenmanager zu inszenieren, denn nach der Bundestagswahl übernimmt er das ‚Krisenamt‘ seines Vorgängers Franz Josef Jung, der neben Glos lang als zweite große Fehlbesetzung im schwarz-gelben Kabinett gilt. Am 28. Okt. 09 wird KT zum  jüngsten Verteidigungsminister seit Franz Josef Strauß ernannt und scheint seine Berufung beinah gefunden zu haben. Doch halt, welche Berufung eigentlich konkret?
Steckenpferde, Denkfabriken & Elitenetzwerke
Zur Erinnerung: Die tief verwurzelte fränkische Wettertanne KT beruft sich auf seine Familientradition, die ihn zur einer gewissen Verantwortung und Kontinuität verpflichtet. Und da bereits sein Großvater nicht nur CSU-Bundestagsabgeordneter und als solcher auch außenpolitischer Sprecher, insbesondere für das transatlantische Bündnis und scharf gegen die neue Ost-/Entspannungspolitik Brandts war, ist es beileibe kein Zufall, dass des Enkels liebstes Steckenpferd nicht das Wirtschaftsressort, sondern ebenso die transatlantische Außenpolitik darstellt. Dass er mit nur 31 Jahren als absoluter Bundestagsneuling vom Fleck weg als jüngstes Mitglied in den privilegierten Auswärtigen Ausschuss des Bundestages – ein hochsensibles, hinter verschlossenen Türen tagendes Gremium, das sicherheitspolitische Themen (wie Militäreinsätze im Ausland) nicht nur berät und kontrolliert, sondern quasi auch darüber entscheidet – berufen wird, mag ähnlich überraschend erscheinen, kommt aber genauso wenig von ungefähr. So liegt die Vermutung nahe, dass sich KT primär durch die Teilnahme an exklusiven Ausbildungsprogrammen bzw. die Mitgliedschaft in höchst einflussreichen Gremien für entsprechende Ämter ‚empfohlen‘ hat, wie z.B. F. Beck in ihrem interessanten Dossier aufrollt.
So wird KT bereits vor 2002 jüngstes Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), einem direkten Ableger des Council on Foreign Relations. Als Schnittstelle zwischen US-Außenpolitik und einer finanzgewaltigen Elite sieht sich das CFR als zentraler Ideengeber amerikanischer Weltpolitik, dessen Aufgabe neben Lobbyarbeit (Formulierung & Förderung geostrategischer u. i.d.R. neoliberaler  Machtinteressen) vor allem auch in der Ausbildung eines Pools auserlesener Zöglinge besteht. Mit Spitzenvertretern aus Politik, Wirtschaft, Banken- und Medienwelt hat das CFR als auch die deutsche Tochter DGAP also die Doppelfunktion von Denkfabrik und Elite-Netzwerk. Dabei beinhalten ihre Programme nicht nur Schlagworte wie z.B.  ‚Freihandelsabkommen, Internationalismus oder Globalisierung‘. Im resoluten Glauben an eine hierarische Weltordnung unter amerikanischer Führung werden bis heute Feindbilder (‚Global War on Terrorism‘) gepflegt, expansive Geostrategien entwickelt und kulturelle Hegemonie befördert. Nach wie vor vertritt die transatlantische Community den unverhohlenen Anspruch einer Basisdemokratie bevormundenden Expertokratie’. Die Tatsache, dass diese privat gesponserte Denkfabrik, in deren Zirkel man nur auf mehrfache Empfehlung entsprechender Protegés gelangt, jegliche Transparenz bzw. Kontrolle von Außen ablehnt, wird von verschiedener Seite äußerst kritisch gesehen, zumal sich die Folgen dieser Interessenspolitik offenbar „gegen das Interesse der Mehrheit des amerikanischen [bzw. deutschen?] Volkes und der Völker dieser Welt richtete und bis heute richtet “ (Quelle).
Die Vermutung, dass KTs Mitgliedschaft in der DGPA und dem ähnlich ausgerichteten American Council of Germany (ACG) die eigentliche Voraussetzung für seine Berufung in den Auswärtigen Ausschuss ist, scheint also alles andere als abwegig. Schließlich darf er sich dadurch zum exklusiven Absolventenkreis eben jener Young-Leaders-Programme zählen, die sich an modernsten Privatunis für die entsprechend Interessen gesteuerte Ausbildung und Denkweise einer supranationalen Politik- und Wirtschaftselite verantwortlich zeichnen – sehr wahrscheinlich die entscheidende Schlüsselqualifikation. Wie das Aspen Institute und die AtlantikBrücke, deren Rufen er kurz nach seinem Eintritt in den Ausschuss ebenso folgt, erwecken diese Einflussgremien zwar den Anschein von Unabhängigkeit, sind jedoch allesamt Teil eines umfassenden Netzwerks potenter Seilschaften, „findet sich in allen diesen Gruppen als harter Kern [doch] das immer gleiche Personal der ‚üblichen Verdächtigen'“ (Quelle).
Zwar sind neben KT natürlich auch viele andere Spitzenvertreter aus Politik, Wirtschaft und Medien in den Spitzenzirkeln des transatlantischen Netzes vertreten, das aufgrund seines Lobbycharakters, seiner undemokratisch-elitären Attitüde und der mangelnden Transparenzbereitschaft generell immer wieder in der Kritik steht (und Verschwörungstheorien Vorschub leistet). Im Falle des jungen KT und seiner außergewöhnlichen Blitzkarriere stellen sich jedoch noch weitere Fragen. Ist es jemandem, der einem ‚Junge-Führer-Programm‘ amerikanischer Elite-Think-Tanks entspringt (ob als Mitglied d. Auswärtigen Ausschusses oder als Verteidigungsminister) zuzutrauen, unabhängige Entscheidungen über Leben und Tod deutscher Soldaten und afghanischer Zivilisten zu treffen? Inwiefern ist es evtl. sogar berechtigt, vom begründeten Verdacht massiver Einflussnahme auf die deutsche Verteidigungspolitik durch die umstandslose Inkorporierung‚ eines Parade-Zöglings zu sprechen? Und welche Interessen werden am Hindukusch wirklich vertreten, die der Deutschen oder die amerikanisch geprägter Elite-Dynastien?
Gerade KTs Haltung gegenüber sicherheits- bzw. außenpolitischen Fragen erscheint vor diesem Kontext als die logische Konsequenz der transatlantischen Denkschule. Innerhalb seiner Partei bereits früh zum Experten (CSU-Fachausschuss) für Außenpolitik erklärt und blitzartig in entsprechende Ämter gehievt, gilt er bald als Hardliner mit klaren Positionen zur Türkei oder Russland (z.B. gegen die Ostsee-Pipeline). Zunächst für seine konsequente Rechtfertigung des deutschen Afghanistan-Einsatzes bekannt, arbeitet er bereits im Sommer 2007 (mit Hans-Ulrich Klose, SPD) an einem Papier, das der Bundesregierung die Intervention im Süden des Landes nahelegt – auch als Verteidigungsminister KTs Lieblingsbühne. Dass sein eigentlicher Traumjob außerhalb seiner Reichweite  liegt (den Außenminister stellt i.d.R. FDP bzw. SPD), ist dabei nicht weiter tragisch. Denn erstens darf sich KT, dessen Backround-/Interesse wahrlich nicht im Finanzressort, denn (wie oben dargelegt) eindeutig auf transatlantischem Parkett liegt, seinen zweiten Ministerposten als ‚Stimmenkönig‘ selbst aussuchen – das Verteidigungsamt ist dabei weit mehr als nur Trostpreis. Und zweitens sehen ihn die Medien in Zukunft ohnehin schon im Kanzleramt – eine Vision, an die sich KT und die Mehrheit der Deutschen sicherlich  schnell gewöhnen kann.
Zu einer Zeit, in der der Rückhalt im Volk für den Afghanistan-Einsatz aufgrund der jüngsten Vorkommnisse und des damit verbundenen Vertrauensverlustes in die Informationspolitik dramatisch schwindet69% der Bürger wollen, dass die Bundeswehr möglichst bald abzieht – kommt die Installation des souverän auftretenden ‚jungen Truppenführers‘ KT gerade recht, schließlich soll das seit 2003 schrittweise ausgeweitete deutsche ISAF-Mandat verlängert werden. Um der Kritik der Verbündeten am Luftangriff bei Kunduz zu begegnen, beteiligt sich die Luftwaffe seit Dez. 2009 – u.a. auch dank KTs Fürsprache – zudem an Kampfeinsätzen im Süden des Landes. Während sich dieser bereits im Zuge seiner ersten ‚Frontbesuche‘ als weltmännisch und truppennah inszeniert – die bewusste Ästhetik der Agentur-Bilder transportiert das positive Image des charismatischen ‚Feldherrn‘ und seiner treuen Soldaten – wird die Aufarbeitung der Kunduz-Affäre zur eigentlichen Bewährungsprobe. Und obwohl diese zu einer einzigen Farce gerät, übersteht er sie beinahe unbeschadet.
Im nächsten Teil der Geschichte (Guttenberg [5]) geht es um die erste große Herausforderung KTs als Verteidigungsminister – die (Nicht-) Aufarbeitung der Kunduz-Affäre. Und ganz nebenbei geht es auch um die schleichende Legitimation eines Krieges – im Sinne transatlantischer Interessen. Dabei widmet sich KT intensiv den hohen Künsten ‚medialer Kriegsführung’ und ‚offensiven Krisenmanagements’, die zu den heimlichen Paradedisziplinen unseres Senkrechtstarters zählen – frei nach dem Motto: ‚Angriff ist die beste (Selbst-) Verteidigung’ !
// zum allerersten Teil, den ‘Bekenntnissen’ > (Guttenberg [1] – Schön gefärbt und hoch gestapelt)
// zum zweiten Teil,  der ‘Familientradition’ > (Guttenberg [2] – Schön gefärbt und hoch gestapelt)
// zum dritten Teil, ‚Popularität & Kompetenz‘ > (Guttenberg [3] – Schön gefärbt und hoch gestapelt)
Hauptquellen:
– Christian Christians: ‚Außenpol. Denkfabriken u. Netzwerke‘, Artikel auf Freidenker [online], 12/07
– Hermann Ploppa: ‚Der Klub der ‚Weisen Männer“, Artikel auf Telepolis [heise.de], 19.08.08
– // Ploppa, Teil2:  ‚V. massiver Vergeltung zum transatl. Netzwerk‘, Artikel auf Telepolis [heise.de], 28.08.08 – Katharina Koufen: ‚Was will K.-T. zu Guttenberg?‘ Artikel auf Wirtschaftswoche [online], 14.02.09
– Christoph Schwennicke: ‚Der Gegen-Glos‘, Artikel auf Spiegel [online], 09.03.09
– Friederike Beck: ‚Das Guttenberg-Dossier‘ [Teil 1], Dossier auf Zeitgeist [online], 07.04.09
– // Beck, Teil2: ‚… Atlantik Brücke u. ihr Young-Leaders-Programm‘, Artikel auf Zeitgeist [online], 15.05.09
– Sebastian Fischer: ‚CSU träumt von der K-Frage‘, Artikel auf Spiegel [online], 27.07.09
– // Fischer: ‚Die Polit-Party ist zu Ende‘, Artikel auf Spiegel [online], 27.11.09
– ‚Koalition: Guttenberg wird Verteidigungsminister‘, Artikel auf Focus [online], 23.10.09
– Sandra Tjong: ‚K.-T. zu Guttenberg: Ein Baron für die Soldaten‘, Artikel auf Focus [online], 24.10.09
– ‚ARD-Deutschlandtrend‘, auf infratest dimap [online], 12/09
– ‚Afghanistan-Umfrage: Deutsche wollen raus‘, Artikel auf Focus [online], 03.12.09
– ‚Afghanistan-Mandat verlängert, Guttenberg korrigiert‘, Artikel auf Focus [online], 03.12.09
– ‚Westerwelle gibt SPD-Mann Spitzen-Posten‘, Artikel auf Berliner Zeitung [archiv, online], 17.03.10
– Blome & Thewalt: ‚… oder gar Kanzler – In welches Amt stürmt er 2011?‘, Artikel auf Bild [online], 14.10.10
– Frank Thomsen: ‚Kanzler-Debatte: Das Schmachten nach d. Franken-Obama‘, Art. auf Stern [onl.], 17.10.10
– Website der Atlantik Brücke, Website des ACG, Website des Aspen Institute
– Hartwig Fischer [CDU]: ‚Über den ‚Auswärtigen Ausschuss“, persönliche Website
– zu:  ‚DGAP‘, ‚CFR‘, ‚ACG‘, ‚Aspen Institute‘, ‚Atlantik Brücke‘, ‚ISAF‘ (International Security Assistance Force), dt. Beteiligung am Krieg in Afghanistan (Ausweitung d. ISAF-Mandats), Luftangriff bei Kunduz (Verlauf | Funksprüche | Meldungen u. Berichte | Konsequenzen), KT zu Guttenberg (Minister d. Verteidigung [09-11]) — auf Wikipedia.
– Bildquellen: [1], [2] & [3]
– Vgl. zudem Direktlinks im Text.
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