politics | Guttenberg [5] – Schön gefärbt und hoch gestapelt

„Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit“, so der US-amerikanische Politiker Hiram Johnson im Jahre 1917. Das Zitat beschreibt zwar nichts bahnbrechend Neues – ursprünglich wird es dem antiken Dramatiker Aischylos zugeschrieben -, doch in der Binsenweisheit steckt ein zeitloser Kern, der nicht zuletzt seit dem von den USA initiierten „Global War on Terrorism“ aktueller nicht sein könnte. So geht es auch beim seit 2002 andauernden deutschen Afghanistan-Einsatz um die schrittweise Legitimation eines Krieges durch Politik und Medien, in Folge dessen nicht nur die Wahrheit zu Grabe getragen wird, sondern scheinbar zwangsläufig auch etliche Soldaten und unzählige Zivilisten ums Leben kommen. Die Ernennung eines als beinahe unbesiegbar geltenden Polit- und Medienstars zum „Propagandaminister“ erscheint da nicht nur in Anbetracht der schwindenden Akzeptanz für den Krieg, sondern auch vor KTs transatlantischem Hintergrund als einzig logische Konsequenz.
Pfusch am Hindukusch
Zur Erinnerung: Durch das von Oberst Klein – trotz mehrfach geäußerter Zweifel an der Notwendigkeit eines Angriffs – befohlene Bombardement auf zwei durch Aufständische entführte Tanklaster, die beim Versuch, den Kunduz zu überqueren ca. 15 Kilometer von der PRT-Operationszentrale der Bundeswehr  manövrierunfähig liegen blieben, bzw. auf die in nächster Nähe plündernde Gruppe von Leuten durch zwei US-Kampfjets am 04.09.2009 wurden „nach Nato-Einschätzungen bis zu 142 Menschen, darunter viele Zivilisten, getötet u. weitere verletzt (…) – die bisher mit Abstand größte Zahl von Opfern durch einen Einsatz sowohl in der Geschichte der Bundeswehr und als auch durch andere Kräfte der ISAF“. (Quelle) Dass dieser verheerende Luftschlag, dem laut verschiedener Berichte weder Feindkontakt noch eine unmittelbare Bedrohung vorausging, u. welcher (ungeachtet des Vorschlags der Einschüchterung durch Tiefflüge bzw. der Einbindung höherer Autoritäten) der gezielten Personen-Liquidierung diente, durch Politiker der Regierung, Verteidigungsministerium und Bundeswehr bis mind. zum 5.11.2009 als völkerrechtlich legitimiert und angemessen verkauft wurde, ist wohl v.a. dem Bundestagswahlkampf geschuldet (27.09.). Angesichts des schwindenen öffentlichen Rückhalts für den Militäreinsatz sollte ein handfester Skandal offenbar unbedingt vermieden werden. Zunächst als ‚Infopannen‘ Einzelner verharmlost, verdichtete sich im Zuge allmählich bekannt gewordener Details sowie zunehmender Kritik am Umgang mit der Affäre der Verdacht, dass Infos generalstabsmäßig vertuscht und falsch oder verspätet weitergegeben wurden. Die Tatsache, dass die vom Verteidigungsministerium eigens eingerichtete „Gruppe 85“ mit dem Ziel operierte, Kleins Bombenbefehl gegenüber der Nato und der ermittelnden Staatsanwaltschaft, aber auch der dt. Öffentlichkeit als „ermessensfehlerfrei“ darzustellen, bestätigt die Vermutung. Doch damit nicht genug – als äußerst wahrscheinlich gilt zudem, dass kurz vor und nach dem Luftangriff zwischen Kanzleramt, Ministerium und Mitarbeitern des BND sowie KSK-Kontaktpersonen, in enger Abstimmung mit dem CIA, eine neue Eskalationsstrategie militärischer Einsätze in Afghanistan vereinbart wurde, die über den in der dt. Öffentlichkeit bekannten Rahmen hinaus ging. Vor dem Hintergrund der Terrorbekämpfung nach US-amerikanischem Vorbild erscheint die gezielte Tötungsaktion des Oberst Klein, der sich regelrecht dazu „ermutigt gefühlt“ haben musste, als Teil jener regierungsintern genehmigten Strategie. (Quelle) In Anbetracht der zunehmend erdrückenden Beweislast bezüglich der katastrophal verfehlten Informationspolitik und des geforderten Untersuchungsausschusses tritt Ex-Verteidigungsminister Jung von seinem Posten als Arbeitsminister zurück. Und der Neue im Amt? Obwohl KT nicht müde wird, „größtmögliche Offenheit u. Transparenz“ zu beteuern – er wolle „alles dazu beitragen“, dass „alle Infos dem UA zur Verfügung gestellt“ werden, unterscheidet sich sein Krisengebahren kaum von dem seines Vorgängers, dessen regierungskonforme Taktik der gezielten Ablenkung, Verschleppung und Vertuschung er quasi nahtlos fortführt.
Nepper, Schlepper, Bauernopfer – die große Afghanistan-Lüge
Im Gegensatz zu Jung gesteht KT zwar ein, dass Zivilisten getötet wurden, dennoch rechtfertigt er den Angriff noch am 6. Nov. als militärisch angemessen und „mandats- und völkerrechtlich“ legitimiert – es musste zu diesem Luftschlag kommen“. Obwohl ihm zu diesem Zeitpunkt bereits mind. zwei Quellen (ISAFVoruntersuchung und Rotes KreuzBericht) vorlagen, die beide sowohl Nichtangemessenheit als auch Völkerrechtswidrigkeit feststellten, behauptet KT danach stets, seine Einschätzung auf Grundlage des ISAF-Berichts, „des einzigen, der mir vorlag“, abgegeben zu haben – ‚Bundeswehr-interne Berichte, die ebenfalls von zivilen Toten und Verstößen gegen die Einsatzregeln sprechen, will er erst Ende Nov. zur Kenntnis bekommen haben.‘ (Quelle) In Folge (am 26.11, einen Tag vor Jungs Rücktritt) entlässt KT den Staatssekretär im Verteidigungsministerium Wichert sowie den Generalinspekteur der Bundeswehr Schneiderhan, die er für die ‚Informationspannen‚ verantwortlich macht. Am 3.12. (einen Tag nach der Einigung, Mitte Dez. einen Untersuchungsausschuss zu konstituieren) bezeichnet er den Angriff dann endlich doch als „nicht angemessen“ und begründet die Revision seiner Aussage mit der ihm neuen Faktenlage. Doch die Kehrtwende sorgt für zunehmende Zweifel. Während Opposition und Bundeswehr-Verband die Neubewertung für unzureichend halten, wächst auch die öffentliche Skepsis an der Salami-Taktik des Selbstverteidigungsministers. Und auch Wichert und Schneiderhan lassen es nicht gefallen, dass KT in Talkshows wie ‚Beckmann‘ und ‚Maybrit Illner‘ öffentlich behauptet, sie hätten ihm wichtige Berichte „vorenthalten“, ja „bewusst unterschlagen“ – d. ‚Spiegel‘ will aus ‚KTs Umfeld‘ schon am 30.11. erfahren haben, dass beide „die Existenz der Berichte abgestritten“ hätten (Quelle). In Absprache mit Schneiderhan bittet Wichert KT daher in einem vertraulichen Briefwechsel um die klare Richtigstellung der ‚Lügen‘ – sie hätten auf Nachfragen des Minister keinesfalls „mehrfach falsche Antworten gegeben“, sondern alle weiteren Kreise„, die offenbar mit ‚gezielten Unwahrheiten Unfrieden, ja Zwietracht säen wollen‘ zurückgewiesen.
Zwischenzeitlich häufen sich Pressemitteilungen, die KTs Version widersprechen. Laut ‚FAS‘ u. ‚Spiegel‘ hätten ihn Wichert und Schneiderhan im Zuge des Geprächs am 25. Nov. wechelseitig und vollständig über alle Berichte zum Kunduz-Fall informiert. Wie spätestens vor dem Untersuchungsausschuss klar wird, mussten die beiden wohl als Sündenböcke für KTs eigene Irrtümer herhalten. Die Tatsache, dass er wenige Tage vor der Befragung seiner ehemaligen Untergebenen einen weiteren General wegen eines kritisch-fragenden Briefes entlässt und zudem einen erneuten Sinneswandel vollzieht („er sei nie davon ausgegangen, dass ihm böswillig, vorsätzlich Unterlagen vorenthalten worden sind“), aber auch die Aussage Schneiderhans, er habe KT keinesfalls empfohlen, den Angriff als unvermeidlich darzustellen sowie Wicherts Teilerfolg im Rechtsstreit mit dem ‚Spiegel‘ (die Falschdarstellung der ‚Leugnung‘ wird zurückgezogen), sprechen diesbezüglich für sich. Doch damit nicht genug – obwohl KT immer wieder betont, wie sehr ihm an der Vertraulichkheit des internen Geprächs mit den beiden Geschassten gelegen sei, bestätigt sich der lang gehegte Verdacht, beim ‚Spiegel‘-Denunzianten von Wichert u. Schneiderhan handle es sich um ihn selbst. Denn auf die Frage des am 22.04.2010 schon viele Stunden dauernden Ausschusses, ob die Schilderung des Magazins richtig sei und er mit ‚Spiegel‘-Mitarbeitern gesprochen habe, kommt er erstmals ins Schlingern: „so furchtbar weit [sei diese] ja angesichts meiner Darstellung (…) nicht auseinander (…) ich habe in diesen Tagen mit Sicherheit auch mal mit ‚Spiegel‘-Journalisten gesprochen.“ (Quelle) Den wachsenden medialen Gegenwind – die Opposition erhebt bereits im Dez. 09 den Vorwurf, er habe „wissentlich die Unwahrheit“ gesagt (‚man nennt das landläufig ‚er hat gelogen“) u. die Öffentlichkeit somit bewusst getäuscht – schmettert er in gewohnter Manier als „bemerkenswerte Legendenbildungab. Statt wirklich für Transparenz zu sorgen, lenkt er die Aufmerksamkeit geschickt auf die Nöte u. Sorgen seiner Soldaten, die in ‚kriegsähnlichen Zuständen Unterstützung, Schutz sowie Rechtssicherheit aus der Heimat‘ benötigten.
Am 16.12.09 kommt es im Bundestag gar zu tumultartigen Szenen, als KT nicht zum letzten Mal das Schicksal der Soldaten instrumentalisiert, um unbeantworteten Fragen aus dem Weg zu gehen und dabei vom Selbstverteidigungsmodus zum postwendenden Angriff in Gutsherrenart überzugehen. Nicht zum letzten Mal wird ihm der Rücktritt nahegelegt – von Widersprüchen, Ausflüchten und ‚ganz miesem Stil‘ ist die Rede. Sein Statement, in solch einem Fall habe er sich als Minister „schon noch selbst das Recht herauszunehmen zu entscheiden, was wesentlich u. was unwesentlich ist“, zeugt tatsächlich von einem elitären Stil, der mit dem ausgeprägten Willen zur Aufklärung rein gar nichts zu tun hat. Und tatsächlich bewahrheitet sich diese Haltung auch im Zuge der Ermittlungen des Untersuchungsausschusses (seit 21.01.2010), die offenbar ganz bewusst verschleppt werden, um einen detaillierten Akteneinblick vor der Zeugenbefragung zu verhindern. So erteilt das Ministerium erst zehn Wochen (23.02.) nach Stellung der Beweisanträge (16.12.09) eine Weisung zur langwierigen Beschaffung und Bearbeitung von Akten – ein Spiel auf Zeit. Letztlich sind über die Hälfte der Dokumente schlicht nicht vorhanden, die aus dem Büro des (Ex-) Ministers fehlen völlig. Ob sie herausgegeben, geschwärzt oder geheim gehalten werden, entscheidet eine Einzelfallprüfung. Von maximaler Transparenz ist keine Rede mehr – der Verdacht, die Politik/KT habe bewusst unzureichend informiert, kann nicht entkräftet werden. In Folge (April 10) gibt die Bundesanwaltschaft – ‚wegen der Verpflichtung zur Einhaltung des Geheimschutzes‘ (das zugrunde liegende militärische Tatsachenmaterial wird überwiegendend als geheime Verschlusssache eingestuft) bekannt, dass sie das Ermittlungsverfahren einstellt. Die Auslegung als ’nichtinternational bewaffneter Konflikt‘ macht den Einsatz völkerrechtlich zulässig. KTs Bemühungen um die Ausweitung militärischer Befugnisse und den Rechtsschutz für (grob fahrlässig handelnde) Soldaten sind also von (zweifelhaftem)  Erfolg gekrönt. Gegen Oberst Klein, inzwischen wieder Chef des Stabes der 13. Panzergrenadierdivision in Leipzig, wird (seit Aug. 2010 auch disziplinarrechtlich) nicht mehr ermittelt, was verschiedenerseits scharf kritisiert wird, da die Bundesanwaltschaft der Regierung gegenüber weisungsgebunden sei, also keine unabhängige Untersuchung stattgefunden habe, und deren Darstellung in bedeutsamen Punkten nicht mit öffentlich gewordenen Angaben der ISAF und Bundeswehr übereinstimme. Die Entscheidung sei ganz „offensichtlich politisch motiviert, und nicht von einer rechtlichen Analyse geleitet.“ (Quelle) Achja, fast vergessen – fast elf Monate nach der Bombardierung sollen die Familien von 91 Toten und elf Schwerverletzten von der Bundeswehr je 5000 US-Dollar erhalten – als ‚humanitäre Hilfe‚ und ‚Geste der Aussöhnung‘, natürlich ohne Anerkennung einer Schuld. (Quelle)
Die Wahrheit stirbt zuerst – Legitimation eines Krieges
Indessen hat sich die Situation vor Ort keineswegs verbessert, im Gegenteil – sie wird von Jahr zu Jahr angespannter, ist unübersichtlicher denn je. Mit der kaum einzuschätzenden Anzahl unbeteiligter Opfer – seit Einführung ‚offizieller‘ Angaben (2007) sterben laut UN über 7000 Zivilisten, allein 2010 wird ein neuer Höchststand von fast 2800 zivilen Opfern beklagt – steigt auch die Anzahl getöteter Soldaten. Seit 2002 (im März sterben erstmals Deutsche) zählt die Bundeswehr bei 318 ‚Zwischenfällen‘ 49 Gefallene. Angesichts des Vorwurfs mangelnder Unterscheidung zwischen militärischen Zielen und Zivilpersonen bzw. Einrichtungen und des überzogenen Gewalteinsatzes – neben dem Angriff bei Kunduz sorgen zahlreiche weitere ‚verfehlte‘ Militärschläge (z.B. 07/2008: 64 Tote bei Hochzeit durch Nato-Jets, 08/08: 76 Tote bzw. 05/2009: 100 Tote durch US-Bombardierung im Westen, 02/2010: 27 Tote bei Luftangriff auf drei Kleinbusse, 03/2011: neun tote Kinder bei Nato-Luftangriff im Osten) dafür, dass der ISAF-Einsatz in Misskredit gerät – ist es kaum verwunderlich, dass sich in weiten Teilen der Bevölkerung der Widerstand gegen eine als arrogant-bevormundend empfundenen ‚Besatzungspolitik unter amerikanischer Führung‘ regt, und dass sich Empörte mit Aufständischen solidarisieren. Aktuellstes Beispiel für die wachsenden Proteste, sind die gewaltsamen Massendemonstrationen (am 18.05.2011) vor einem dt. Lager („Tod den USA!) aufgrund einer Razzia samt Tötung zweier Männer und Frauen (laut Polizeichef allesamt zivile Familienmitglieder, laut Nato Aufständische) durch d. ISAF, im Zuge derer elf erschossene und 80 (teils schwer) verletzte Demonstranten (sowie zwei verletzte Soldaten) zu beklagen sind. Der Übergang vom Demonstranten zum Aufständischen bis hin zum Taliban ist fließend, das ISAF-Mandat entsprechend dehnbar – bekanntlich stirbt im Krieg zuallererst die Wahrheit.
So mag es angesichts zunehmender Übergriffe richtig erscheinen, das Truppenkontingent aufzustocken, schwere Waffen anzufordern, für den Militäreinsatz auf allen Ebenen in die Offensive zu gehen und sich vor allen Dingen für die Soldaten stark zu machen. Mit gehangen mit gefangen möchte man meinen, geht es doch schon seit 2001 um die Eindämmung des globalen Terrors – eine vermeintlich gute Sache. Um die Stabilisierung eines zutiefst zerrütteten Landes, um zivilen Wiederaufbau sollte es gehen, und v.a. um Handlungsfähigkeit. In diesem Sinne will KT endlich raus aus dem Selbstverteidigungsmodus – nicht nur, was die Rechtssicherheit und -Befugnisse seiner Truppe, sondern auch was seinen eigenen Umgang mit der Affäre angeht. Und ganz genau deswegen scheint er die Probleme auch endlich beim Namen zu nennen. Zwar weiß es jeder, doch sagen darf man es nicht zu laut – psst, geht es doch eben nicht mehr allein darum, Brunnen zu bohren. Um den „Bezugspunkt hin zum Begriff Krieg zu finden, obwohl der völkerrechtlich natürlich nicht sauber ist“, spricht KT zunächst von ‚kriegsähnlichen Zuständen‘. Statt selbstkritisch einzugestehen, dass die ‚Stabilisierungsmission‘ auf allen Ebenen gescheitert ist (bis heute kann kein einziger Afghane für 9/11 verantwortlich gemacht werden, während deutsche Soldaten längst jenseits parlamentarischer Kontrolle agieren, fragwürdige US-Einsätze tolerieren/unterstützen, Beihilfe zu gezielten Tötungen leisten und sich die Situation der afghanischen Zivilbevölkerung katastrophaler denn je darstellt) spricht die Regierung im Feb. 10 von einem nicht-nationalen bewaffneten Konflikt, womit der Einsatz notwendiger Militärgewalt offiziell legitimiert wird. Da Begriffe „nicht mehr zwingend den Herausforderungen dieser Tage entsprechen“ und um „solche Zweifel [gar] nicht [erst] entstehen zu lassen“ räumt auch KT früh ein, man könne „umgangssprachlich [durchaus] von Krieg reden“.
KTs unter öffentlichem Druck revidierte Entscheidung, den Luftangriff als ‚angemessen/unvermeidlich‘ darzustellen, wirkt somit wie der Versuch, die Deutschen auf die (noch geheimen) Konsequenzen eines (nun sogenannten) Krieges samt Strategiewechsel vorzubereiten, den er der Öffentlichkeit mittels einer breit angelegten PR-Kampagne längst als alternativlos verkauft. Einmal mehr zum tabulosen Klartexter stilisiert, entdeckt er – stets ausgewählte Medienvertreter im Gepäck und fern von lästigen Kritikern – Afghanistan als bevorzugtes Reiseziel, wo er nicht nur mehr Respekt den Soldaten gegenüber einfordert, sondern auch für mehr Akzeptanz der Mission wirbt. Im Zuge seiner hochgradig inszenierten PR-Reisen erweist sich insbesondere die Einbindung seiner schlagfertig auftretenden Gattin als äußerst geschickter Propaganda-Feldzug. Von ihrem charmanten Stellvertreter-Auftritt bei der Bambi-Verleihung mit „Verweis auf die politische Gemengelage“ just einen Tag vor der Entlassung v. Wichert/Schneiderhan bis hin zum ‚Beistand‘ während ihres Besuches vor Ort mit dem Ziel, sich durch das Gespräch „von Frau zu Frau“ ein besseres Bild von d. „SoldatInnen“ zu machen, trägt sie stark zum gewollt positiven Image des Ministers und des Krieges insgesamt bei. Den Höhepunkt medialer Selbstinszenierung markiert KTs vielfach kritisierter Talkshow-Auftritt (Kerner/SAT1) vor der Truppe, im Zuge dessen ein komplettes TV-Studio ins Kriegsgebiet verlegt wird. Doch während solch PR-Aktionen in der Truppe und beim Volk gut anzukommen scheinen, schließlich suggerieren die Bilder die Anteilnahme am Alltag der Soldaten, den offenen Umgang mit der permanenten Bedrohung und die unbedingte Notwendigkeit des Einsatzes, werden wesentliche Teile der Realität ausgeblendet. Doch damit nicht genug – unter dem Deckmantel zweifelhafter Hochglanz-Bilder, die KTs Beliebtheit erheblich zu steigern vermögen, gerät der eigentliche Skandal fast in Vergessenheit. Denn ähnlich wie Bundespräsident Horst Köhler zuvor, der aufgrund harscher Kritik und mangelnder Rückendeckung zurücktritt, fordert KT im November 2010, „die Sicherung der Handelswege und der Rohstoffquellen [ohne Verklemmung] unter militärischen und globalstrategischen Gesichtspunkten zu betrachten“ und die „wirtschaftlichen Interessen Deutschlands [wie andere Länder auch] militärisch abzusichern.“ Kein Wunder, dass dieser verwegene Anspruch nicht nur in der Opposition für gehörig Empörung sorgt: das „Grundgesetz erlaubt keine Wirtschaftskriege“ im Sinne offensiver Interventionen zur Durchsetzung deutscher Wirtschaftsinteressen. In Anbetracht jener angebrachten Zurückhaltung mag KTs Forderung vielleicht absurd klingen. Angesichts KTs Backround (transatlant. Schule/Netz), im Lichte der schleichenden Ausweitung des ISAF-Mandats sowie der jüngsten Bundeswehrreform ist die Umsetzung eben jener Interessen jedoch nicht nur ‚wahrscheinlich‘, sie ist längst in vollem Gange.
Der nächste Teil der Saga (Guttenberg [6]) schließt nahtlos an die geschilderten sicherheitspolitischen Entwicklungen an. Es wird Zeit für KTs zweites Großprojekt, das er ebenso vollmundig ankündigt. Doch auch die Bundeswehreform gerät für alle Beteiligten zu einem einzigen Desaster. Eins jedenfalls schafft er bei allem Chaos dann doch – die Akzeptanz für eine ökomomische Interventionsarmee, die in Zukunft verstärkt zur Durchsetzung wirtschafts- und entwicklungspolitischer Interessen des transatlantischen Bündnisses eingesetzt werden soll.
// zum allerersten Teil, den ‘Bekenntnissen’ > (Guttenberg [1] – Schön gefärbt und hoch gestapelt)
// zum zweiten Teil,  der ‘Familientradition’ > (Guttenberg [2] – Schön gefärbt und hoch gestapelt)
// zum dritten Teil, ‘Popularität & Kompetenz’ > (Guttenberg [3] – Schön gefärbt und hoch gestapelt)
// zum vierten Teil, ‚Denkschule & Elitenetzwerk‘ > (Guttenberg [4] – Schön gefärbt und hoch gestapelt)
Hauptquellen:
– ‚Afghanistan: Mehr als 70 tote Zivilisten bei Bombenangriff‘, Artikel auf Die Presse [online], 22.08.08
– ‚Bombenangriff – Kabul prangert Tötung von 76 Zivilisten an‘, Artikel auf Spiegel [online], 22.08.08
– ‚Afghanistan – Trauriger Rekord bei toten Zivilisten‘, Artikel auf Süddeutsche [online], 17.02.09
– ‚100 tote Zivilisten bei US-Luftangriff in Afghanistan‘, Artikel auf Welt [online], 06.05.09
– ‚Afghanistan: Der Einsatz ist ein Desaster‘, Interview m. Volker Rühe auf Spiegel [online], 17.08.09
– ‚Deutsche für Abzug – und für Jung‘, Umfrage zu Afghanistan auf Stern [online], 16.09.09
– ‚Helmut Schmidt kritisiert Afghanistan-Einsatz‘, (verkürzes) Interview auf Zeit [online], 23.09.09
– ‚Vorfall Kunduz: Guttenberg rechtfertigt Luftangriff auf Tanklaster‘, Artikel auf Spiegel [online], 06.11.09
– ‚Kunduz, Afghanistan: Hat Minister Jung die Wahrheit verschwiegen?‘ Artikel auf Bild [online], 26.11.09
– Markus Decker: ‚Kundus-Luftangriff ’nicht angemessen“, Artikel auf Kölner Stadtanzeiger [online], 29.11.09
– ‚Deutsche misstrauen Regierungsangaben zum Afghanistan-Einsatz‘, Umfrage auf Spiegel [online], 04.12.09
– ‚Luftschlag: Guttenberg muss Begründung f. seine Korrektur nachliefern‘, Artikel auf FAZ [online], 04.12.09
– ‚Afghanistan: Kehrtwende v. Guttenberg ‚Das ging sehr schnell“, Artikel auf Süddeutsche [online], 04.12.09
– ‚Bericht d. Roten Kreuzes – GB bleibt in Kunduz-Affäre unter Druck‘, Artikel auf Spiegel [online], 09.12.09
– Peter Blechschmidt: ‚Luftangriff – Guttenberg in Erklärungsnot‘, Artikel auf Süddeutsche [online], 09.12.09
– ‚Luftangriff – Rot-Kreuz-Bericht erhöht Druck auf Guttenberg‘, Artikel auf Stern [online], 10.12.2009
– Damir Fras: ‚Grüne fragen nach Einflussnahme auf Kundus-Bericht‘, Art. auf BZ [online/archiv], 10.12.09
– ‚Fragen drängender‘, Interview m. Obmann Arnold zum KSK-Einsatz auf Tagesschau [online], 10.12.09
– ‚Neue Hinweise auf gezielte u. regierungsintern genehmigte Tötungsaktion im Fall Kundus – Rückendeckung / für Oberst Klein‘, Artikel d. Leipziger Volkszeitung via na-Presseportal [dpa], 12.12.09
– ‚Zwei Versionen eines Gesprächs‘, Artikel auf FAZ [online], 13.12.09
– ‚Afghanistan – Gabriel legt Guttenberg Rücktritt nahe‘, Artikel auf Süddeutsche [online], 13.12.09
– ‚Luftangriff bei Kundus: Legenden, Lügen, Selbstverteidigung‘, Artikel auf Süddeutsche [online], 13.12.09
– Friederichs et.al.: ‚Wikileaks-Dokument – Die einsame Entscheid. d. Oberst Klein‘, auf Zeit [online], 14.12.09
– Christian Rath: ‚Tanklaster-Affäre – Darf die Bundeswehr gezielt töten?‘, Artikel auf taz [online], 14.12.09
– Patrick Bahners: ‚GBs Informationspolitik: Plötzlich diese Übersicht‘, Artikel auf FAZ [online], 14.12.09
– Christoph Schwennicke: ‚Merkel u. Kunduz-Affäre: Krieg d. Kanzlerin‘, Komment. auf Spiegel [onl.], 15.12.09
– Natalie Soondrum: ‚TV-Kritik ‚Beckmann‘: Lächeln für d. Krieg‘, Art. auf Frankf. Rundschau [onl.], 15.12.09
– ‚Kundus-Affäre – Guttenberg u. der ‚politische Klamauk‘ d. Opposition‘, Artikel auf Focus [online], 16.12.09
– Thorsten Denkler: ‚Kundus-Affäre – Gutsherr GB feuert zurück‘, Artikel auf Süddeutsche [online], 16.12.09
– E. Trümper: ‚Oberst Klein wieder im Dienst!‘, Meldung auf Bild [online], 17.12.09
– ‚Afghanistan – Oberst Klein räumt Falschinformation ein‘, Artikel auf Süddeutsche [online], 16.01.10
– Sascha Zastiral: ‚Nato in Afgh. – Erneut Zivilisten bei Luftschlag getötet‘, Artikel auf taz [online], 23.02.10
– ‚GB entlässt General Henning Hars nach Brief wg. Kundus-Affäre‘, Artikel auf Tagesspiegel [online], 12.03.10
– ‚Aufmüpfiger Militär: Kritik an Guttenberg wg. Generals-Entlassung‘, Artikel auf Welt [online], 14.03.10
– ‚Verdruckstheit im Umgang mit Afghanistaneinsatz‘, Interview auf Deutschlandfunk [online], 14.03.10
– Demmer, Ulrike: ‚Affären – Tarnen und täuschen‘, Artikel auf Spiegel [online], 15.03.10
– // Demmer: ‚Bundeswehr – Trotziger Korpsgeist‘, Artikel auf Spiegel [online], 23.08.10
– “Nichtinternationaler bewaffneter Konflikt‘ in Afghanistan‘, Erklärung des BVM [online], 16.03.10
– M. Gebauer & J. Goetz: ‚K-Affäre: VM wollte Wahrheit gezielt vertuschen‘, Art. auf Spiegel [online], 18.03.10
– ‚Kundus-Ausschuss – ‚Gruppe 85′: Nach den Bomben die PR?‘ Artikel auf Süddeutsche [online], 19.03.10
– ‚Tabu-Bruch – Guttenberg spricht von Krieg in Afghanistan‘, Artikel auf Spiegel [online], 04.04.10
– Pressemeldung des ‚Generalanwalts beim Bundesgerichtshof‘, auf d. Website, 19.04.10 | 08/10
– ‚Tankwagen-Massaker bleibt ungesühnt (…)‘ Pressemitteilung der IALANA auf d. Website, 20.04.10
– ‚Krieg in Afg. – BW setzt schwere Artillerie gegen Aufständische ein‘, Artikel auf Spiegel [online], 11.07.10
– Christoph Reuter: ‚Entschädigung für die Kundus-Opfer steht‘, Artikel auf Stern [online], 05.08.10
– ‚Bundeswehr verzichtet auf Disziplinarverfahren gg. Oberst Klein‘, Artikel auf Spiegel [online], 19.08.10
– Jürgen Rose: ‚Spur der Verwüstung‘, Artikel auf der Freitag [online], 03.09.10
– Elisa Simantke: ‚Afghanistan Die unbekannten Toten‘, Artikel auf Der Tagesspiegel [online], 05.09.10
– Frank Thomsen: ‚Kanzler-Debatte: Das Schmachten nach d. Franken-Obama‘, Art. auf Stern [onl.], 17.10.10
– ‚Guttenberg will Wirtschaftsinteressen militärisch absichern‘, Artikel  auf derStandard [online], 09.11.10
– ‚Sicherheitskonferenz – GB will Wirtschaft militärisch absichern‘, Artikel auf Handelsblatt [online], 09.11.10
– Gordon Repinski: ‚Tabubruch im VM‘, Artikel auf Deutschlandfunk [on] / Quelle: Die Tageszeitung, 13.11.10
– ‚ISAF-Mandatsverlängerung: Märchenstunde im BT‘, Artikel auf der Freitag [onl.] | Community, 16.01.11
– E. Lohse u. M. Wehner: ‚VM zu Guttenberg: Gezielte Info.pannen‘, Artikel auf FAZ [online], 20.02.11
– / (Vorabdruck aus dem Buch ‚Guttenberg. Biographie‘)
– ‚2.777 Menschen ums Leben gekommen. Tödl. Jahr f. afg. Zivilisten‘, Beitrag auf Wiener Zeitung, 09.03.11 -‚Afghanistan-Krieg fordert immer mehr Opfer‘, Bericht auf Tagesschau [online], 09.03.11
– ‚Rechtsstreit: Spiegel vs. Wichert – Gespräch mit Guttenberg‘, Artikel auf Süddeutsche [online], 18.03.11
– ‚De Maizière in Afghanistan- Antrittsbesuch im Hindukusch‘, Artikel auf Spiegel [online], 26.03.11
– T. Matern & D. Brössler: ‚ Tote bei Protesten vor Bundeswehrlager‘, Artikel auf Süddeutsche [online], 18.05.11
– M.Gebauer & S. Najafizada: ‚.. Taliban sollen Angriff auf BW provoziert haben‘, Artikel auf Spiegel, 18.05.11
– ‚Um 1 Uhr 49 fielen die Bomben auf die Laster‘, Video vom Bombenabwurf auf Bild [online], 26.11.09
– ‚Charme-Bambi für Stephanie zu Guttenberg‘, Artikel & Video auf BILD [online], 27.11.09
– ‚Akt. Stunde im Bundestag zur Affäre (KT/Trittin)‘, VideoSendung auf Phoenix , via Youtube, 16.12.09
– ‚Sackgasse Afghanistan?‘ VideoInterview im WDR, via Youtube, 27.01.10
– ‚GB verschleiert u. vertuscht weiter‘, VideoBericht des rbb/ARD-Magazins ‚Kontraste‘, via Youtube, 11.03.10
– ‚GB – der Minister m. d. zwei Gesichtern‘, VideoBeitrag d. ZDF-Magazins ‚Berlin direkt‘ via Youtube, 21.03.10
– M. Feldhoff, U. Gack, A. Huppert: ‚Die Afghanistan-Lüge [1/5] , ZDF-VideoReportage, via Youtube, 07.04.10
– ‚GB in Afghanistan‘, VideoInterview in den ARD-Tagesthemen, via Youtube, 14.04.10
– ‚Pressekonferenz McChrystal & Guttenberg in Berlin‘, VideoSendung auf Phoenix, via Youtube, 21.04.10
– ‚Zu Guttenberg hört zu‘ [1/2], VideoBeitrag im Sachsenspiegel des MDR, via Youtube, 12.07.10
– ‚Zu Guttenberg besucht Bundeswehr in Afghanistan‘, Bundeswehr-Video [online], via Youtube, 19.07.10
– ‚Stephanie Freifrau v.u.z. GB in Afghanistan‘, VideoBeitrag d. ZDF-heute Magazins, via Youtube, 13.12.10
– ‚Ehepaar zu Guttenberg – Fotoshooting in Afghanistan‘ PR-Fotos auf Stern [online], 13.12.10
– ‚Die Bundeswehr in Afganistan‘ [1/5], ‚Kerner spezial‘ VideoTalkshow auf SAT1, via Youtube, 16.12.10
– zu: ‚ISAF‘ (International Security Assistance Force) dt. Beteiligung am Krieg in Afghanistan (Ausweitung d. ISAF-Mandats), ‚PRTs‘ (Provincial Reconstruction Teams in Afgh./Irak), Luftangriff bei Kunduz (Verlauf | Funksprüche | Meldungen u. Berichte | Konsequenzen), [Oberst] Georg Klein, Ex-Verteidigungsminister Jung, KT zu Guttenberg (Bundesminister der Verteidigung [09-11]), Zwischenfälle d. Bundeswehr in Afghanistan, Bürgerkrieg (Bürgerkriege in den Genfer Konventionen) — auf Wikipedia.
– Bild #1: Fotostrecke (Bild #8) auf Spiegel [online], 27.11.09 | Quelle: dpa
– Bild #2: Fotostrecke (Bild #13) auf Stern [online], 13.12.10 | Quelle: Maurizio Gambarini/dapd
– Vgl. zudem Direktlinks im Text.
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